Urteil des BVerfG zum Staatsanleihekaufprogramm: Erste rechtliche Einordnung

(English version here)

(aktualisierte Fassung)

In seinem Urteil vom heutigen Dienstag, dem 5. Mai 2020, erklärt das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) das Programm der Europäischen Zentralbank (EZB) zum Staatsanleihenkauf für kompetenzwidrig. Hierzu kommentiert Dr. Sergey Lagodinsky, rechtspolitischer Sprecher der Fraktion Grüne/EFA und stellv. Vorsitzender des Rechtsausschusses:


„Ich begrüße, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts die grundsätzliche Rolle des EuGH nicht in Frage stellt.

Ganz im Gegenteil: Das Bundesverfassungsgericht betont die Kompetenzen des Europäischen Gerichtshofs, „die Auslegung und Anwendung des Unionsrechts“ und die „dabei anzuwendende(n) Methode“ zu bestimmen. Seine Rolle sei bei der „Auslegung und Anwendung der Verträge das Recht zu wahren“.

Was das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil nicht akzeptiert, ist dass der EuGH im konkreten Entscheidungsfall zu Staatsanleihen die Auslegung des Wortlauts der europäischen Verträge nach üblichen Auslegungsmethoden ausgelassen hat. Das Urteil steht damit in der Tradition des Bundesverfassungsgerichts, wonach Kompetenzkompetenzen nach klaren Abgrenzungsregeln gezogen werden müssen.

Es ist an der Bundesregierung, Mitgliedsstaaten und betroffenen Institutionen, aus dem Urteil Konsequenzen zu ziehen: Kurzfristig muss die Abwägung unter Einbeziehung der Auswirkungen des Staatsanleihenkaufprogramms durch die EZB nachgereicht werden. Mittelfristig müssen die Regierungen endlich eine vertraglich verankerte Europäisierung der Haushalts- und Finanzpolitik vorantreiben, um rechtlich belastbare Grundlage für gemeinsames Handeln zu sichern.“