Pan-Europäische Zivilgesellschaft, Russland, Türkei und elektronische Beweismittel

Ausgabe 1/2021

Liebe*r Leser*in,


Das ist er: mein erster Newsletter, in dem ich monatlich über meine Tätigkeiten als Grüner Abgeordneter im Europaparlament und in Deutschland informieren werde. Ich möchte diese Form der Kommunikation nutzen, um einen Überblick über meine Arbeit zu geben und relevante Themen aufzugreifen.


Russland und die Türkei sind in aller Munde. Aber das Problem Demokratieabbau geht über die beiden Länder hinaus: Überall auf der Welt und auch in der Europäischen Union haben wir es mit Regierungen zu tun, die die Rechtsstaatlichkeit aufweichen und demokratische Grundrechte von Bürger*innen zurückdrängen. Hinzu kommt das Rollback im Digitalen, auch dort müssen wir aufpassen, dass unsere Freiheitsräume nicht mit falschen Argumenten klein reguliert werden. Mit diesen Themen beschäftige ich mich im Parlament und darüber hinaus.


Neben dieser Newsletter-Premiere geht auch meine neue Webseite an den Start. Dort ist ein detaillierter Überblick über meine Arbeit in Brüssel, Berlin, Hamburg und Brandenburg zu finden. Bei Fragen oder persönlichen Themenvorschlägen freue ich mich auch über eine direkte Kontaktaufnahme.

Protestplakate in Russland mit der Aufschrift
Russland. Die Regierung im Kreml hält die Welt weiter in Atem: Innenpolitisch finden Repressionen bisher ungekannter Ausmaße statt. Massenhaft werden unliebsame Menschen als „ausländische Agent*innen“ verfolgt und ganze Organisationen für extremistisch erklärt. Längst geht es nicht mehr nur um Nawalny, sondern um die Reste der Freiräume, die abgewickelt werden. Gleichzeitig finden außenpolitische Provokationen und Eskalationen durch den Aufmarsch russischer Streitkräfte an der ukrainischen Grenze statt und es werden Enthüllungen zu gewaltsamen Interventionen der russischen Geheimdienste in der Tschechischen Republik und wohl auch in Bulgarien bekannt. Auch unsere klaren Parlamentspositionen kommen dem Kreml offensichtlich ungelegen. Zuletzt verhängte Russland Sanktionen unter anderem gegen Parlamentspräsident David Sassoli. Gegenüber Politico stellte ich fest, dass das wohl die Reaktion auf die bisher deutlichsten EU-Worte ist, die aus dem Parlament kamen.

  • Als russlandpolitischer Sprecher der Grünen/EFA-Fraktion im Europäischen Parlament habe ich den gemeinsamen Entschließungsantrag mitformuliert, der vergangene Woche mit großer Mehrheit vom Europäischen Parlament verabschiedet wurde und sich mit ebendiesen Entwicklungen, sowie dem Fall Alexej Nawalnys befasst. Meine Plenarrede findet ihr hier.

  • Auch wenn Russland gerade außenpolitisch abrüstet: Innenpolitisch werden die Reste der Freiheit endgültig zu Grabe getragen. In Moskau ist es besonders auffällig, aber in den Regionen passiert es geräuschlos und nicht minder grausam. Regionale Journalist*innen, Aktivist*innen und Mitarbeiter*innen der Anti-Korruptionsstiftung Nawalnys werden verfolgt. Nach belarussischem Beispiel wird nun ein Rechtsanwalt, der Oppositionelle beraten hat, mit Strafen belegt. Zuletzt wurde ein Mitstreiter Nawalnys in Archangelsk zu 2,5 Jahren Haft wegen Verbreitung von Pornographie verurteilt. Der Grund: Er habe das Musikvideo „Pussy“ der, in Russland beliebten, Band Rammstein in sozialen Medien gepostet.

  • Für mich steht deshalb der Schutz der demokratischen Zivilgesellschaft in Russland im Mittelpunkt. Als Grüne stehen wir fest an der Seite derjenigen, die überall auf der Welt staatlichen Repressionen ausgesetzt sind. An erster Stelle steht für uns die Perspektive der Menschen, der Demokrat*innen, der freiheitsorientierten Bürger*innen. Wir sind froh, dass wir in einer der vergangenen Sitzungen der Grünen-Fraktion von Leonid Volkov, Stabschef von Alexej Nawalny, aus erster Hand erfahren konnten, wie sich die Situation in Russland zuspitzt. Mir ist dabei wichtig: Wir unterstützen Nawalny nicht, weil wir uneingeschränkt seiner Meinung sind. Nein, wir stehen hinter der Demokratiebewegung in Russland und unterstützen das Recht Nawalnys auf Leben und freie Meinungsäußerung.
Vor dem Hintergrund all dieser Entwicklungen wird immer wieder die Frage aufgeworfen: Können und wollen wir überhaupt noch mit Russland zusammenarbeiten? Meine Antwort lautet: Selbstverständlich! Aber wir müssen für jede Zusammenarbeit rote Linien definieren. Welche das sind? Dieser Frage gehe ich in meinem brandneuen Blog nach.
Protestplakate in Russland mit der Aufschrift

Frei nach dem Motto „Think global, act local“ möchte ich hier informieren, wie sich globales Denken auf lokales Handeln auswirkt. Das kann unser Umgang mit unserer Stadt sein und was unser Müll für die Welt bedeutet, aber auch, wie wir unser Konsum- und Ernährungsverhalten ändern müssen, um Nachhaltigkeit global zu garantieren. Hier bin ich auch auf Ideen und Vorschläge von Bürger*innen angewiesen und freue mich über eine Kontaktaufnahme.

Heute geht es mir um das Thema „Europa in die Berliner Verfassung“. Die Europa-Union Berlin und die Junge Europäische Bewegung Berlin-Brandenburg setzen sich dafür ein, dass das europäische Gemeinschaftsgefühl auch in Berlin sichtbar wird. Denn nur was im Selbstverständnis der Stadt vorkommt und breit thematisiert wird, findet auch seinen Weg in unsere Köpfe und den Alltag. Ich unterstütze dieses Anliegen von Herzen.

Rechtsstaatlichkeit in und um Europa

Die Europäische Demokratie ist unvollendet ohne eine Europäische Zivilgesellschaft. Darum habe ich mich entschlossen, Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs), Vereine und gemeinnützige Projekte zu stärken. Durch ein neues Gesetz, das die Gründung Europäischer Vereine ermöglicht, wird grenzüberschreitende Zusammenarbeit einfacher. Ich habe im Europäischen Parlament einen Initiativbericht dazu angestoßen und wurde zum Berichterstatter im federführenden Ausschuss ernannt. Mir geht es vor allem um das Zusammenwachsen Europas und die Schaffung einer echten pan-Europäischen Zivilgesellschaft.

In den nächsten Monaten kann mitverfolgt werden, wie wir uns im Europäischen Parlament für diese Vision einsetzen. Hier gibt es das Video zur Kampagne.
Protestplakate in Russland mit der Aufschrift

Außenpolitik

Wie geht es weiter mit den EU-Türkei-Beziehungen? Viel Aufregung um ein Sofa, wo wir doch eigentlich über Inhalte reden sollten. Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung habe ich deutlich gemacht, dass es nicht um das Setting eines schwierigen Staatsbesuches geht, sondern um das, was die EU-Türkei-Beziehungen wirklich bewegt. Die Aufregung ums Protokoll ist nur ein Signal, dass einiges schiefläuft. Schwieriger könnten die bilateralen Beziehungen gerade nicht sein. Als Vorsitzender der EU-Türkei-Delegation im Europäischen Parlament fordere ich daher, dass Fortschritte in den Bereichen Demokratie und Menschenrechte zur Bedingung für die Normalisierung der Beziehungen werden. Wenn die türkische Zivilgesellschaft sonst keine Fürsprecher unter europäischen Institutionen hat, müssen wir, das EU-Parlament, ihr solidarischer Verbündeter werden. Darauf sind meine Bemühungen ausgerichtet.

Persönliche Daten als elektronische Beweismittel

Schon vor drei Jahren hat die Europäische Kommission einen Vorschlag für ein Gesetzespaket vorgelegt, das Ermittlungsbehörden aller EU-Länder grenzüberschreitenden und direkten Zugriff auf elektronische Daten der EU-Bürger*innen geben soll. Das sogenannte „e-Beweis“-Paket lehne ich ab, denn ungebremster Zugang zu persönlichen Daten würde auch Zugriff auf die vertrauliche Kommunikation von Journalist*innen oder Anwält*innen bedeuten und auch die Daten der Bürger*innen dem Zugriff von Strafermittlungsbehörden aus dem Ausland schutzlos ausliefern. Im Februar 2021 starteten die Trilog-Verhandlungen von Parlament, Europäischem Rat und Kommission über das Gesetzespaket. Als Grüner Verhandler nutzte ich den Anlass, um bei einem Experten-Briefing gegenüber Vertreter*innen der Presse und Anwalts-Kolleg*innen meine großen Bedenken zu erklären (Aufzeichnung des englischsprachigen Events hier).
 
Auf meiner neuen Webseite gibt es Hintergrundinformationen zum e-Evidence-Paket.
Protestplakate in Russland mit der Aufschrift

Link des Monats

Meine Teilnahme an der phoenix runde | Nicht nur Putin hat rote Linien, sondern auch wir in unserer Außenpolitik. Ja, wir kooperieren, aber nicht auf Kosten der Menschenrechte, der Solidarität mit EU-Nachbarn und der Korruptionsbekämpfung. Pro-Russische Politik zu betreiben, bedeutet, die Menschen des Landes im Blick zu behalten und sie in ihren Rechten zu bestärken – nicht nur die herrschenden 5%.

Das war mein Credo als Gast in der Talkshow phoenix rundehier gibt es eine Aufzeichnung der gesamten Diskussion.
Protestplakate in Russland mit der Aufschrift

Buch des Monats

Betrachtungen einer Barbarin von Asal Dardan | Asal Dardan ist als Kind iranischer Eltern in Deutschland aufgewachsen. In ihrem Buch erzählt sie, wie das Exil ihrer Eltern sie geprägt hat. Ihr Blick gilt der Auseinandersetzung mit der deutschen Mehrheitsgesellschaft, in der sie sich immer wieder versucht, zu finden. Sei es über die gemeinsame Sprache oder den alltäglichen Kampf des ewigen Gegensatzes von Wir und den Anderen. Ein wunderbares Buch: nahbar, menschlich und scharfsinnig.

Projekt des Monats

Unter dem Motto „Reclaim Your Face" („Verlange Dein Gesicht zurück") fordert eine europäische Bürgerinitiative das Ende der anlasslosen Massenüberwachung in Form automatisierter Gesichtserkennung. Dabei geht es den Initiator*innen allerdings nicht um ein komplettes Verbot, sondern um eine gesetzliche Regelung automatisierter Massenüberwachung durch biometrische Systeme. Über eine Online-Petition sollen europaweit eine Million Unterschriften gesammelt und der Europäischen Kommission übergeben werden.

Hier ist eine kleine Auswahl an virtuellen und persönlichen Runden, zu denen wir uns sehen können. Alle Zugangsdaten für Termine finden sich auch auf meiner Webseite.

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