03. Mai 2023
"Fatales Signal an die Zivilgesellschaft"
EU-Abgeordnete verurteilen Kommissionsplan zur Einführung eines Agentengesetzes
In einem parteiübergreifenden Brief an die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, fordern 48 Mitglieder des Europäischen Parlaments die Kommission auf, einen Gesetzesentwurf zu überdenken, der auf ein EU-weites Agentengesetz hinauslaufen könnte. Die geplante Gesetzgebung wird als Teil des Pakets „Verteidigung der Demokratie“ vorgeschlagen, das Kommissionspräsidentin von der Leyen während ihrer letzten Rede zur Lage der Union angekündigt hat.
Die Richtlinie wird eine Reihe von Offenlegungspflichten für Interessenvertretungen einführen, die finanzielle Unterstützung aus Nicht-EU-Staaten erhalten. Die Abgeordneten sind besorgt, dass die geplante Richtlinie an Versuche aus anderen Ländern anknüpfen könnte, die politisch unliebsame Nichtregierungsorganisationen als „Agenten ausländischer Einflussnahme“ denunzieren und Hetzkampagnen gegen zivilgesellschaftliche Organisationen schüren.
Dr. Sergey Lagodinsky (Grüne/EFA Deutschland), stellvertretender Vorsitzender des Rechtsausschusses und Initiator des parteiübergreifenden Schreibens, kommentiert:
„Dies ist ein fatales Signal an die europäische Zivilgesellschaft. Erst vor einigen Wochen haben die europäischen Institutionen die georgische Regierung für ihren Gesetzentwurf über ausländische Agenten scharf verurteilt, währenddessen arbeitete die EU-Kommission im Stillen Kämmerlein an einem eigenen Vorschlag, der unsere eigenen Zivilgesellschaft ernsthaft beschädigen könnte. In den letzten Monaten haben wir eine besorgniserregende Tendenz rechter Abgeordneter beobachtet, die NGOs zum Sündenbock für die eigene mangelnde Transparenz des Parlaments in Bezug auf Lobbying-Aktivitäten zu machen. NGOs mit einer Richtlinie ins Visier zu nehmen, die es illiberalen Regierungen ermöglicht, zur Jagd auf die Zivilgesellschaft zu blasen, wird für NGOs, die um Demokratie kämpfen fatal sein, und für viele anderen eine abschreckende Wirkung für die Zukunft entfalten. Wir fordern die Kommission auf, den Gesetzesentwurf zu überdenken und eine umfassende Bewertung seiner Auswirkungen auf die Grundrechte vorzulegen, was die Kommission im Rahmen des Entwurfsprozesses bisher ausdrücklich ausgeschlossen hat.“
Das Schreiben der Europaabgeordneten an Ursula von der Leyen spiegelt die Bedenken einer breiten Koalition von 230 Organisationen der Zivilgesellschaft wider, die die Kommission auffordert, von einem Vorschlag für ein Gesetz über ausländische Agenten abzusehen.
Dr. Sergey Lagodinsky ist Koordinator der Grünen/EFA-Kampagne „Defend Civil Society“ (Verteidigung der Zivilgesellschaft) und Autor des so genannten Lagodinsky-Berichts über das europäische Vereins- und Gemeinnützigkeitsstatut.